Im Kreis Gotha leben 6.780 Bürgergeld-Empfänger und 16 Einkommens-Millionäre
Kreis Gotha: NGG warnt vor Bürgergeld-Kürzung.
Dünnes Portemonnaie trifft auf dicke Brieftasche: Im Landkreis Gotha leben rund 6.780 Bürgergeld-Empfänger, aber auch 16 Einkommens-Millionäre. „Krasser geht es nicht: Die einen müssen jeden Euro dreimal umdrehen. Die anderen wissen nicht, wohin mit ihrem Geld“, sagt Jens Löbel von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Unter den Bürgergeld-Empfängern seien viele Arbeitslose und Alleinerziehende. Allein rund 2.310 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben nach Angaben der NGG Thüringen in Haushalten, die Bürgergeld beziehen. Die Gewerkschaft beruft sich bei den Bürgergeld-Zahlen auf die Arbeitsagentur und bei den Einkommens-Millionären auf das Thüringer Landesamt für Statistik (TLS).
„Wer im Kreis Gotha auf Bürgergeld angewiesen ist, der droht jetzt noch tiefer in die Armut zu rutschen“, sagt Jens Löbel. Grund seien Pläne zur Bürgergeld-Kürzung. „Die Bundesregierung will damit Menschen zwingen, den Gürtel noch enger zu schnallen. Dabei ist das letzte Gürtelloch längst erreicht. Gerade auch bei den Aufstockern: Bei Menschen also, die für einen Niedriglohn arbeiten und Bürgergeld als Ergänzung zum Lohn dringend brauchen, um überhaupt über die Runden zu kommen“, so der Geschäftsführer der NGG Thüringen.
Die Gewerkschaft warnt die schwarz-rote Koalition vor Einschnitten beim Bürgergeld. Schon die Ankündigung der Bundesregierung, beim Bürgergeld in diesem und im kommenden Jahr eine Nullrunde zu fahren – also keinen Inflationsausgleich zahlen zu wollen, bedeute ein reales Minus von rund 5 Prozent beim Bürgergeld, rechnet die NGG Thüringen vor. „Letztlich ist jede Kürzung beim Bürgergeld mehr oder weniger eins zu eins auch das Geld, das weniger ausgegeben wird – das also im Kreis Gotha als Kaufkraft fehlt“, so Löbel.
Die NGG appelliert jetzt an die Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien aus dem Landkreis Gotha und der Region, den Sparplänen der Bundesregierung einen Riegel vorzuschieben: „Es ist unsozial, unfair und es bringt wenig, denen noch etwas wegnehmen zu wollen, die sowieso wenig haben. Stattdessen sollten die, die viel Geld haben, davon wenigstens etwas abgeben. Dann kommt unterm Strich auch mehr Geld für alle dabei heraus“, so Jens Löbel.
Die NGG Thüringen ruft damit nach einer Reform der Erbschaftssteuer: „Millionenerben, die keine Erbschaftssteuer zahlen, darf es nicht mehr geben“, so Löbel. Außerdem sei ein höherer Spitzensteuersatz längst überfällig. Dieser habe in der Ära von Bundeskanzler Kohl (CDU) sogar 56 Prozent betragen. Heute liege der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent. „Und es gibt nicht einmal eine Vermögenssteuer. Unterm Strich wird die Mittelschicht – und damit die Beschäftigten, die einen Großteil der Gewinne erwirtschaften – steuerlich viel stärker belastet als die Millionäre. Das ist auch eine Frage der Steuergerechtigkeit“, sagt Jens Löbel.
Die NGG Thüringen fordert die heimischen Bundestagsabgeordneten außerdem auf, den Fokus der Bundesregierung auch auf den Steuerbetrug zu lenken, wenn es darum gehe, zusätzliche Einnahmen für den Bundeshaushalt zu bekommen: „Die wirklichen Sozialschmarotzer sind nämlich die Steuerhinterzieher“, so Jens Löbel.
Der jährliche Schaden durch Steuerhinterziehung in Deutschland werde vom Bundesrechnungshof auf immerhin 30 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. „Steuer-Experten gehen sogar von weit über 100 Milliarden Euro jährlich aus, die dem Staat durch die Lappen gehen. Es ist höchste Zeit, Steuerbetrug intensiver zu bekämpfen“, sagt Jens Löbel. Auch Missbrauch beim Bürgergeld müsse der Staat konsequent verfolgen.