Ohrenarzttermin in Gotha – ein Erfahrungsbericht zwischen Warten, Frust und Fassungslosigkeit
Am 8. Februar 2025 habe ich bei einer HNO-Praxis in Gotha einen Termin angefragt – ganz normal, wie es Millionen gesetzlich Versicherte tagtäglich tun, wenn sie gesundheitliche Hilfe benötigen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Diese einfache Anfrage sollte mich auf eine monatelange Geduldsprobe stellen. Einen Termin bekam ich tatsächlich – allerdings erst für den 24. Juni, also fast fünf Monate später. Schon das allein wäre eigentlich einen eigenen Beitrag wert. Doch damit nicht genug: Die eigentliche Absurdität erlebte ich erst am Tag des Termins.
Ich erschien am 24. Juni um 9:45 Uhr, also eine halbe Stunde vor dem offiziellen Termin um 10:15 Uhr. Wer sich an Termine hält, zeigt Respekt, so habe ich es gelernt. In meinem Fall war diese Pünktlichkeit leider vollkommen zwecklos. Die Praxis war überfüllt bis auf den letzten Platz, das Wartezimmer platzte aus allen Nähten. Die Luft stand, die Stimmung kippte mit jeder weiteren Minute. Nach gut zweieinhalb Stunden des Wartens – und das mit festem Termin – musste ich schließlich das Handtuch werfen. Nicht etwa, weil ich die Geduld verloren hätte, sondern weil ich schlicht zur Arbeit musste. Ja, es gibt auch noch Menschen, die in Schichten arbeiten und sich nicht den ganzen Tag freinehmen können, nur um dann nicht behandelt zu werden.
Also ging ich zur Anmeldung, freundlich und verständnisvoll. Ich schilderte, dass ich heute leider ohne Behandlung gehen müsse, da ich dringend zur Arbeit müsse – und bat um einen neuen Termin. Die Mitarbeiterinnen waren höflich und respektvoll, keine Frage. Aber was mir dann mitgeteilt wurde, ließ mich dennoch sprachlos zurück: „Dann bekommen Sie eben einen neuen Termin – am 24. Oktober 2025.“ Das war kein Scherz. Vier Monate später. Wieder.
Ich stand da, verständnislos. Vier Monate Wartezeit – und das für eine Untersuchung, die man in einer Viertelstunde erledigen könnte. Kein Vorwurf an das Praxispersonal – sie handeln nach dem, was ihnen möglich ist. Aber ich frage mich: Was läuft hier eigentlich falsch in unserem Gesundheitssystem?
Ich bin gesetzlich versichert, zahle jeden Monat brav meine Beiträge, wie Millionen andere auch. Aber langsam kommt man sich nicht mehr wie ein Patient, sondern wie ein Bittsteller vor. Und vor allem: wie jemand, der zahlt und hofft, irgendwann dranzukommen. Ist das die Realität in einem Land, das auf seine soziale Absicherung so stolz ist? Hat man als „normaler“ Arbeitnehmer mit Schichtdienst, mit Verpflichtungen und Termindruck, einfach keine Chance mehr auf angemessene medizinische Versorgung?
Natürlich könnte man jetzt sagen: „Dann geh doch zu einem anderen Arzt.“ Aber wer das vorschlägt, hat offenbar lange nicht versucht, in Gotha und Umgebung einen schnellen Facharzttermin zu bekommen. Die Wahrheit ist: die Terminlage ist überall angespannt, manche Praxen nehmen gar keine neuen Patienten mehr auf. Und dann liest man in den Medien, dass Facharztpraxen angeblich überlaufen sind, weil zu viele Patienten unnötige Termine wahrnehmen würden. In meinem Fall war es genau andersherum – ich wollte behandelt werden, durfte aber nicht.
Und das wirft eine grundsätzliche Frage auf: Warum macht man überhaupt feste Termine, wenn sie keinerlei Bedeutung haben? Wenn man trotz Termin zwei, drei oder mehr Stunden warten muss, dann ist das kein Termin, sondern eine Art Lotterie. Und diese Praxis ist kein Einzelfall – sie ist symptomatisch für ein System, das aus den Fugen geraten ist.
Ich weiß, dass Ärzte und medizinisches Personal oft am Limit arbeiten. Ich mache niemandem in der Praxis einen Vorwurf – ich wurde dort höflich behandelt. Aber irgendwo in diesem System sitzt jemand, der Entscheidungen trifft – und da läuft ganz gewaltig etwas schief. Es kann nicht sein, dass man sich durch monatelange Wartezeiten kämpfen muss, nur um dann ohne jegliche medizinische Hilfe wieder zur Arbeit zu hetzen. Es kann nicht sein, dass wir in einem Land leben, in dem ein einfacher Arztbesuch zur organisatorischen und emotionalen Belastungsprobe wird.
Was ich mir wünsche? Keine Wunder. Nur Fairness. Nur, dass man als Patient nicht ständig das Gefühl haben muss, an letzter Stelle zu stehen. Dass Termine eingehalten werden oder man wenigstens ehrlich sagt: „Wir schaffen das heute nicht.“ Dass man als arbeitender Mensch nicht wie ein Störfaktor behandelt wird, nur weil man einen begrenzten Zeitrahmen hat. Dass man sich auf das Gesundheitssystem verlassen kann, statt sich machtlos zu fühlen.
Vielleicht liest das jemand, der etwas ändern kann. Vielleicht teilt jemand diesen Text, damit sich andere Betroffene nicht so allein fühlen. Vielleicht ist es auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein – aber wenigstens ein ehrlicher.