Tag der Deutschen Einheit – 35 Jahre danach: Was Ostdeutsche bis heute benachteiligt

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Der 3. Oktober ist ein Tag der Freude – doch auch ein Tag des Innehaltens. Denn trotz aller Bemühungen ist die Angleichung zwischen Ost und West bis heute nicht vollständig gelungen.

Am 3. Oktober 1990 wurde Geschichte geschrieben: Deutschland wuchs wieder zusammen, die Mauer war gefallen, die Freiheit zurück. Millionen Menschen feierten ihre neu gewonnene Einheit. Vieles wurde seitdem erreicht – Straßen, Bahnhöfe, Städte und Dörfer im Osten erstrahlen in neuem Glanz, die Reisefreiheit ist selbstverständlich geworden. Doch die Euphorie des Anfangs kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lebenswirklichkeit der Menschen in Ostdeutschland auch 35 Jahre später noch immer von Benachteiligungen geprägt ist.


Unterschiede, die bis heute bestehen

Löhne und Gehälter

Das wohl sichtbarste Ungleichgewicht liegt bei der Bezahlung. Noch immer verdienen Ostdeutsche im Schnitt 15–20 Prozent weniger als ihre Kollegen im Westen – und das bei gleicher Arbeit, gleicher Ausbildung und gleicher Verantwortung. Tarifverträge und starke Gewerkschaften haben im Westen mehr Wirkung entfaltet, während viele ostdeutsche Betriebe lange Zeit niedrige Löhne durchgesetzt haben.

Renten und Altersvorsorge

Zwar wurden die Renten schrittweise angepasst, aber bis heute existieren Unterschiede in der Berechnung. Viele Ostdeutsche fühlen sich deshalb um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Hinzu kommt, dass im Westen durch jahrzehntelange Betriebsrenten, Immobilienbesitz und Erbschaften ein finanzielles Polster existiert, das im Osten erst langsam aufgebaut werden kann.

Vermögen und Eigentum

In der DDR konnte kein privates Vermögen im großen Stil aufgebaut werden. Während westdeutsche Familien über Generationen Immobilien, Ersparnisse und Betriebsvermögen ansammeln konnten, mussten Ostdeutsche nach 1990 bei Null anfangen. Diese strukturelle Benachteiligung wirkt bis heute nach und zeigt sich beim durchschnittlichen Vermögen: Es liegt im Osten weit unter dem westdeutschen Niveau.

Führungsposten und Machtverteilung

Ob in der Wirtschaft, in der Justiz oder in Ministerien – Ostdeutsche sind in Führungspositionen bis heute deutlich unterrepräsentiert. Viele Entscheidungen, die den Osten betreffen, werden noch immer von Westdeutschen gefällt. Dieses Ungleichgewicht sorgt bei vielen Menschen für Frust und das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Wirtschaftskraft und Abwanderung

Die großen Industrien und Konzerne haben ihren Sitz meist im Westen. Ostdeutschland ist vielerorts von kleineren Betrieben und einer schwächeren Wirtschaftskraft geprägt. Hinzu kommt die Abwanderung junger Menschen, die bessere Karrierechancen in westdeutschen Städten suchen – ein Teufelskreis, der ganze Regionen ausbluten lässt.


Mehr als nur Zahlen – es geht um Anerkennung

Der 3. Oktober soll ein Tag der Freude sein. Aber er ist auch ein Tag, an dem wir ehrlich benennen müssen, was nicht gelungen ist. Es geht nicht allein um Lohnunterschiede oder fehlendes Vermögen – es geht um Anerkennung, Wertschätzung und das Gefühl, gleichberechtigt in einem Land zu leben.

Ostdeutsche haben in den letzten Jahrzehnten enorme Anpassungsleistungen erbracht, sie haben Wandel und Umbrüche gemeistert, die westdeutsche Regionen in dieser Geschwindigkeit nie erlebt haben. Viele fühlen sich dennoch nicht auf Augenhöhe – und genau das muss sich ändern, wenn die Einheit auch in den Köpfen und Herzen vollendet werden soll.


Fazit: Einheit bleibt eine Aufgabe

35 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt festzuhalten: Deutschland ist vereint, aber noch nicht vollständig gleichgestellt. Der Tag der Deutschen Einheit sollte daher nicht nur ein Feiertag sein, sondern auch ein Auftrag – weiter daran zu arbeiten, dass Löhne, Renten, Chancen und Anerkennung nicht von der Himmelsrichtung abhängen.

Nur wenn die Unterschiede überwunden werden, kann Deutschland wirklich von Einheit sprechen.

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