KUBICKI-Kolumne: Raus aus dem Panikmodus!
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für Cicero Online folgende Kolumne:
Es liegen wirklich sehr warme Tage hinter uns. Hitziger als die Temperaturen waren allerdings noch die Reaktionen auf das Wetter. Vor allem medial und politisch. Die Nachrichtensendungen waren im Ausnahmezustand. Die „Tagesschau“ widmete teilweise nicht nur die Topmeldung des Tages den hohen Temperaturen, sondern auch gut 50 % der Sendezeit. Es gab Sondersendungen auf RTL („Glutofen Deutschland“) und im ZDF („Backofen Deutschland – Gluthitze in Europa“). Auch die ARD steuerte – noch rechtzeitig, bevor in der Nacht zu Donnerstag der Regen das Land erreichte – einen „Brennpunkt“ bei. Alle News-Portale von „Tagesschau“ bis „Bild“ hielten die Bürgerinnen und Bürger mit Livetickern auf dem Laufenden. Dort konnten wir dann unter anderem erfahren, dass das Kanzleramt auf Gleitzeit und mobiles Arbeiten setzt oder dass am Hölderlin-Gymnasium in Köln die Heizthermostate defekt sind, weswegen sich die Heizung nicht abschalten lässt. So ging das zwei Tage lang – von morgens bis abends.
Ein medialer Ausnahmezustand. Stimmen, die zu kühlem Kopf bei steigender Wärme raten, wurden – mal wieder – von einem Furor aus einfacher Moral und vermeintlicher Tugendhaftigkeit begleitet. Da wird dann sofort an die „älteren Menschen“ erinnert, die „schutzlos“ der Glutwelle ausgesetzt seien. Diese Zurechtweisungen kamen dabei vor allem aus dem politischen Raum. Zum Beispiel von Karl Lauterbach, der via „X“ verkündet, was den „älteren Menschen“ droht: Schlaganfall, Demenz und Nierenversagen.
Spätestens an diesem Punkt wird einem klar, woran die Rezeption dieser Tage erinnert: Corona. Auch hier meinten nicht wenige, es gäbe nur Schwarz-Weiß. Auch in Corona-Zeiten wurden boulevardtaugliche Begriffe für die maximale Panik gefunden („Killervariante“) und auch hier mussten oft die „älteren Menschen“ dafür herhalten, Zweifler zu überzeugen. Und wie bei Corona ist auch jetzt wieder die große Zeit der Modellierer. Das hängt auch damit zusammen, dass das Hier und Jetzt sich nicht bedingungslos der medial-politischen Hysterie anpassen mag.
So machte vor ein paar Jahren eine Grafik die Runde, die den Rückgang der klimabedingt Verstorbenen in den letzten hundert Jahren zeigen sollte. Und die Kurve war steil abfallend. Das rief den „Faktenfinder“ der „Tagesschau“ auf den Plan, der sich ebenfalls schon während der Corona-Pandemie in besonderer Weise hervorgetan hat. „Irreführende Grafik verharmlost Klimawandel“ heißt das in mancherlei Hinsicht lesenswerte Stück, das noch heute im Internet zu finden ist. Dort wird wortreich und unter Verwendung aller gängigen Buzzwords aus der Corona-Zeit erklärt, worin die Schwächen dieser Darstellung liegen. Und manches davon ist nachvollziehbar. Entscheidend ist aber, dass die Tatsache, dass die Anzahl der klimabedingten Toten rückläufig war, überhaupt nicht in Abrede gestellt wird. Aber genau diesen Eindruck erweckt die Überschrift, die suggeriert: Eine Grafik mit rückläufigen Zahlen kann nur „irreführend“ sein.
Und da die Gegenwart nun mal die Warnungen, die auch im „Faktenfinder“ zuhauf zu finden sind, nicht wirklich untermauert, muss der Verweis auf die Zukunft her. Dass in Zukunft die Opferzahlen steigen, sei in der Fachwelt „praktisch unumstritten“, zitiert man einen Vertreter von „Klimafakten“. Und um diese „quasi unumstrittene“ These zu untermauern, braucht es die Modelle oder einfach nur blanke Schätzungen, denn Glaskugeln für die Zukunft haben wir nicht. Und diese Prognosen sind – Sie ahnen es – allesamt düster bis apokalyptisch.
Bei so viel kollektivem Weltschmerz fühlen sich natürlich die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen berufen, mit gut gemeinten Vorschlägen ihrer selbst gewählten Erlöserrolle von dem Übel der Welt gerecht zu werden. Herausgekommen ist ein Papier, das sich in Teilen wirklich zur Satire eignen würde. In dem am Dienstag veröffentlichten Plan der Bundestagsfraktion der Grünen sollen etwa alle Kommunen verpflichtet werden, „Hitzeaktionspläne“ aufzustellen. Selbst grüne Kommunalpolitiker dürften da aufatmen, dass die eigene Partei derzeit nicht an den Schalthebeln der Macht sitzt. Die Habeck’sche Wärmeplanung läuft schließlich vielerorts noch, und die aus der Verfassung selbst kommende Garantie der kommunalen Selbstverwaltung bedeutet nicht, dass unsere Gemeinden nur noch mit dem Vollzug einer in Berlin beschlossenen Agenda beschäftigt sind. Noch zwei oder drei solcher grüner Ideen zu verpflichtenden Planungen in den Kommunen – und der größte Idealist verliert irgendwann den Glauben an die Gestaltungschancen in seiner Gemeinde und wird sich kommunalpolitisches Engagement zukünftig viermal überlegen.
Auch sollen laut dem Plan die Arbeitgeber verpflichtet werden, ab 26 Grad am Arbeitsplatz umfangreiche Hitzeschutzmaßnahmen bereitzustellen. Leisten sie das nicht, sollen die Arbeitnehmer wiederum ein Recht auf Hitzefrei haben. Ein dramatischer Schritt, der viele Sonnenlicht gewöhnte Berufsgruppen, vom Straßenarbeiter bis zum Landwirt, nur müde lächeln lässt.
26 Grad war übrigens genau die Temperatur, bei der unter Robert Habeck die Liegenschaften des Wirtschaftsministeriums zum Energiesparen nicht weiter runtergekühlt werden durften. Im Bundestag waren es mit Zustimmung der Grünen 27 Grad. Der Unterschied zwischen zumutbar und unzumutbar ist bei Bündnis 90/Die Grünen keine Frage des tatsächlichen Wetters, sondern allein der politischen Wetterlage.
Ob das nun Opportunismus oder Dilettantismus ist, ist mir im Prinzip egal. Denn gefährlich ist die Gemengelage aus Panikmaschinerie und Regulierungseifer allemal. Das hat uns Corona bewiesen, und vielleicht verweigern sich die Grünen deswegen so emsig einer umfassenderen Corona-Aufklärung, weil sie die Mechanismen der Angst zum Markenkern ihres Politikstils erhoben haben. Ein Tiefpunkt war im letzten Wahlkampf, als man mit frischen Flutbildern in einem Video mit apokalyptischer Stimmung auf Stimmenfang ging.
Dabei könnten sich alle ein Beispiel an der Online-Redaktion des ARD-Brennpunktes nehmen. Ausgerechnet auf der Homepage des Sondersendungsformats ist das Hitze-Spezial nämlich mit einem Kind bebildert, das mit fröhlich ausgestrecktem Arm durch eine Brunnenanlage in München springt. Und so wird uns mit viel subversivem Geschick in Erinnerung gerufen, wie man Hitze im Sommer auch empfinden kann: nicht nur als tod- und verderbenbringende Gefahr, sondern – wie Christian Dürr es sagte – als schönes Wetter.
Lassen wir den Panikmodus einfach hinter uns. Übrigens auch im Interesse der psychischen Gesundheit, insbesondere von jungen Menschen.
Wenn zwei heiße Tage reichen, um das halbe Land in kollektive Untergangsstimmung zu versetzen, gnade uns Gott bei den massig vor uns liegenden wirklichen Problemen, zu denen auch die Anpassung an sich verändernde klimatische Gegebenheiten gehört.
Und auch das muss in diesem Kontext noch gesagt werden: wer erzählt, mit nationalem Klimaschutz die Temperaturen in 50 Jahren in Deutschland beeinflussen zu können, lügt oder hat keine Ahnung. Klimaschutz kann nur multilateral funktionieren. Die Erzählung vom guten Deutschland, das „mit gutem Beispiel vorangeht“ und die anderen werden schon folgen, ist extrem kindisch. Auch steckt dahinter ein eher doch befremdlicher deutscher Heldenmythos. Jedenfalls bringt es nichts, unsere Volkswirtschaft als Opfer darzubringen, um andere zum besseren Klimaschutz anzuhalten. Zumal es nicht wenige Länder gibt, die auch ohne Klimawandel schon Temperaturen in der Größenordnung der letzten Woche hatten. Und die Züge fuhren dort trotzdem, die Menschen konnten zur Arbeit, und die Kinder wurden ordentlich beschult. In mindestens 150 Ländern dieser Erde ist die durchschnittliche Temperatur höher als in Deutschland. Es ist also „heißer“.
Arbeiten wir doch gemeinsam an einem Land, das auch bei 30 Grad plus schlicht noch funktioniert und denken beim nächsten heißen Tag lieber an fröhlich am Brunnen spielende Kinder, als an Backofen und Gluthitze.
Quelle: Pressemitteilung FDP.