Krankenhaus-Report zeigt: Thüringens Krankenhäuser behandeln immer mehr Über-80-Jährige

Bild von Cor Gaasbeek auf Pixabay

Ohne Strukturreformen drohen Überlastung der Kliniken und massive Ausgabensteigerungen.

In Thüringens Kliniken werden schon jetzt immer mehr Menschen über 80 Jahren behandelt – dabei wäre eine ambulante Behandlung für sie oft die bessere Lösung. Da die eigentliche Welle des Demografiewandels erst noch bevorsteht, müssen die Krankenhäuser in den kommenden Jahren mit weniger Personal immer mehr alte und somit oft pflegeintensivere Patientinnen und Patienten versorgen. Der heute veröffentlichte Krankenhaus-Report zum Thema „Versorgung Hochbetagter“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) macht deutlich: Auf diese doppelte demografische Herausforderung sind die Kliniken im Freistaat nicht vorbereitet.

Laut Krankenhaus-Report ist in Thüringen der Anteil der Menschen über 80 Jahren an allen Krankenhausfällen in den letzten knapp zwanzig Jahren kontinuierlich gestiegen – von zwölf Prozent im Jahr 2005 auf 23 Prozent im Jahr 2023. Die Analysen machen deutlich, dass sich die Versorgungsmuster bei den über 80-Jährigen in den letzten zehn Jahren kaum verändert haben: Nach wie vor entfällt über die Hälfte der Ausgaben für die Versorgung hochbetagter Menschen auf den Krankenhausbereich (51,8 Prozent).

Viele Klinikaufenthalte wären vermeidbar

Der regionale Vergleich zeigt dabei große Unterschiede: Während 2023 in Nordrhein-Westfalen mit der höchsten Krankenhausdichte im Schnitt 68 Krankenhaus-Aufenthalte Hochbetagter je 100 Einwohner zu verzeichnen waren, waren es in Baden-Württemberg nur 50 Klinikbehandlungen je 100 Einwohner. Thüringen verzeichnete 62,8 Fälle je 100 Einwohner und lag damit im Vergleich der Bundesländer an vierthöchster Stelle. Dabei hätten allein durch eine bessere ambulante Versorgung sogenannter „pflegesensitiver Fälle“ in der Arztpraxis, im Pflegeheim oder zuhause zehntausende Krankenhausaufenthalte vermieden werden können. Im Jahr 2022 waren es in Thüringen rund 45.700 Krankenhausaufenthalte und damit etwa jeder vierte Fall (275 je 1.000 Fälle). Als pflegesensitive Fälle bezeichnen die Experten Krankenhausfälle von Pflegebedürftigen mit Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes, die idealerweise von einem niedergelassenen Arzt oder pflegerisch versorgt werden sollten – das sei für die Betroffenen in der Regel medizinisch sinnvoller.

Überlastung der Kliniken und GKV-Finanzen durch Demografiewandel

Der Krankenhaus-Report kommt zu dem Schluss: Um eine Überforderung der Kliniken und massive Ausgabensteigerungen in den nächsten Jahren zu verhindern, braucht es grundlegende Strukturreformen. Mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter werden die Herausforderungen in den nächsten Jahren weiterwachsen: Bis zum Jahr 2050 wird die Anzahl der Hochaltrigen um mehr als 50 Prozent steigen. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter deutlich. Erschwerend kommt hinzu, dass ältere Patientinnen und Patienten meist mehrere Erkrankungen gleichzeitig haben und sie oft einen besonders hohen medizinischen und pflegerischen Bedarf haben – beispielsweise aufgrund von Demenz oder starker Gebrechlichkeit. Zudem ist die Krankenhaus-Verweildauer bei den über 80-Jährigen mit durchschnittlich 8,1 Tagen fast doppelt so hoch wie bei den Menschen unter 60. „Wir müssen dafür sorgen, dass nur die Menschen im Krankenhaus behandelt werden, deren stationäre Behandlung nicht vermieden werden kann“, sagt Dr. David Scheller-Kreinsen, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und Mitherausgeber des Reports.

Thüringen muss handeln, damit das Gesundheitswesen morgen noch trägt

Rainer Striebel, Vorstand der AOK PLUS, sagt: „Thüringen muss jetzt zentrale Zukunftsentscheidungen treffen: Der Krankenhaus-Report zeigt klar, dass wir angesichts der wachsenden Zahl hochaltriger Patientinnen und Patienten mutige Entscheidungen brauchen. Ein ‚Weiter so‘ überfordert unsere Versorgungssysteme. Die AOK PLUS unterstützt die Landesregierung ausdrücklich dabei, die Gesundheitsversorgung neu zu denken – qualitativ hochwertig, ausgewogen in der Erreichbarkeit für die Bevölkerung und am tatsächlichen Bedarf der Menschen orientiert, stabil in der personellen Besetzung und wirtschaftlich tragfähig. Unser gemeinsamer Weg heißt: kluge Strukturveränderungen in der Krankenhauslandschaft, konsequente Ambulantisierung mit einem Ausbau regionaler Gesundheitszentren, die ambulante und stationäre Leistungen intelligent verknüpfen. Nur wenn wir jetzt handeln, können wir die demografischen Herausforderungen meistern und eine starke, nachhaltige Versorgung für alle Generationen sichern. Wir sind überzeugt: Mit Entschlossenheit, Zusammenarbeit und Innovationskraft schaffen wir in Thüringen ein Gesundheitswesen, das auch morgen noch trägt.“

Über den Krankenhaus-Report 2025:

Der Krankenhaus-Report des WIdO erscheint seit 1993 jährlich und widmet sich in jeder Ausgabe einem anderen Schwerpunktthema im Krankenhaussektor und bietet eine fundierte und verlässliche Informationsgrundlage für die wissenschaftliche und politische Diskussion.

In diesem Jahr beleuchtet der Krankenhaus-Report auf mehr als 500 Seiten verschiedene Aspekte der stationären „Versorgung Hochbetagter“. Er enthält Daten und Fakten zur aktuellen Versorgung dieser Gruppe und zur Abschätzung des zukünftigen Versorgungsbedarfs – auch im internationalen Vergleich. Der Report befasst sich zudem mit Ansätzen zur Vermeidung nicht notwendiger Krankenhaus-Aufenthalte von Hochaltrigen. In der Rubrik „Zur Diskussion“ beleuchtet er den aktuellen Stand der Krankenhausreform und bietet eine Analyse zum Thema Krankenhaus-Insolvenzen.

Den gesamten Krankenhaus-Report gibt es unter wido.de zum Download.

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