AOK-Report unterstreicht Unterschiede bei Inanspruchnahme von Leistungen
Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Thüringen ist zwischen 2017 und 2023 weit stärker gestiegen als demografisch zu erwarten gewesen wäre. Das geht aus dem aktuellen Pflege-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Er legt zudem erhebliche regionale Unterschiede offen – sowohl hinsichtlich der Zahl pflegebedürftiger Menschen als auch der in Anspruch genommenen Pflegeleistungen.
Im Jahr 2023 waren 10,5 Prozent der Menschen in der Sozialen Pflegeversicherung im Unstrut-Hainich-Kreis vom Medizinischen Dienst als pflegebedürftig eingestuft. In Jena waren es 5,3 Prozent. Diese beiden Werte bilden die Ober- und Untergrenze der sogenannten Pflegeprävalenz im Freistaat, und sie sind höher, als noch vor einigen Jahren erwartet worden war. Laut dem Pflege-Report 2024 des WIdO stieg die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in den Thüringer Landkreisen von 2017 bis 2023 um durchschnittlich 60,7 Prozent.
Stärkster Anstieg der Pflegebedürftigkeit im Kreis Sonneberg
Die Entwicklung im Freistaat liegt zwar hinter dem bundesweiten Spitzenwert von Leverkusen (+ 143 Prozent), aber doch über dem Bundesdurchschnitt von 57 Prozent. Zu erwarten waren 2023 – mit Blick auf die alternde Gesellschaft – laut dem WIdO lediglich 21 Prozent mehr Pflegebedürftige im Vergleich zu 2017. Die größten Steigerungen verzeichneten der Kreis Sonneberg (+ 85,7 Prozent), der Saale-Orla-Kreis (+ 85 Prozent) und der Ilm-Kreis (+ 69,8 Prozent). Am geringster fiel der Anstieg im Eichsfeld aus (+ 43,5 Prozent). Für die Berechnungen hat das WIdO Abrechnungsdaten aller AOK-Kranken- und Pflegekassen analysiert. Allein für 2023 wurden die anonymisierten Informationen von 2,2 Millionen AOK-versicherten Pflegebedürftigen einbezogen. Das sind rund 43 Prozent aller Pflegebedürftigen in der Sozialen Pflegeversicherung.
Mehrere Faktoren begründen Anstieg
Dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen die Prognosen weit übersteigt, führt das WIdO auch auf die veränderten Anspruchsvoraussetzungen durch den neu gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriff zurück. Seit dem 1. Januar 2017 gelten die fünf Pflegegrade. Die Disparitäten zwischen den Landkreisen und Regionen seien zudem vor allem mit dem durchschnittlichen Alter, dem Demenzanteil und dem Vorhandensein einer Pflegeperson zu erklären. So steige etwa die Inanspruchnahme von Sach- und Kombinationsleistungen bei höherem Durchschnittsalter, mehr Demenzerkrankten und im ländlichen Raum.
Thüringer nehmen häufiger Sach- und Kombileistungen in Anspruch
Bei der Inanspruchnahme der vollstationären Pflege ergibt die bundesweite Analyse des WIdO kein klares Bild. In diesem Bereich ist die Inanspruchnahme im Eichsfeld thüringenweit am geringsten (13,9 Prozent). In Weimar dagegen leben 26,1 Prozent der pflegebedürftigen Menschen im Pflegeheim. Der Anteil an Pflegebedürftigen, die Sach- oder Kombileistungen (Sachleistungen und anteiliges Pflegegeld) in Anspruch nehmen, ist in den neuen Bundesländern hoch. In Thüringen reichen die Anteile in den Kreisen und Städten von 17,2 Prozent im Kreis Hildburghausen bis zu 32,3 Prozent im Kreis Greiz.
Bei der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen zeigen sich ebenfalls große Unterschiede zwischen den Regionen in Deutschland. So werden in Thüringen Geldleistungen seltener in Anspruch genommen als in vielen anderen Bundesländern. Im Kreis Greiz beziehen nur 45,6 Prozent der Pflegebedürftigen Geldleistungen. Der Kreis Hildburghausen mit 63,9 Prozent und das Eichsfeld mit 63,7 Prozent haben den größten Anteil von Pflegebedürftigen in Thüringen, die Geldleistungen beziehen.
Nachbarschaftshilfe bietet Alltagsunterstützung
Auch nehmen in den neuen Bundesländern Menschen häufiger den Entlastungsbetrag von bisher 125 Euro in Anspruch. Pflegebedürftige ab Pflegegrad 1 können diesen für Alltagsunterstützung einsetzen. 2023 nutzten allein mehr als 65 Prozent der AOK PLUS-Versicherten in häuslicher Pflege diese Leistung. Ein Modell der Alltagsunterstützung ist die Nachbarschaftshilfe. Pflegebedürftige in Thüringen können Nachbarn, Freunde oder Ehrenamtliche engagieren, sofern diese einen zertifizierten Kurs absolviert haben. Im Freistaat gilt bis Ende 2025 eine Übergangsregelung, die auch ohne Schulung eine Registrierung als Helfer bei der Pflegekasse erlaubt.
Eine Online-Schulung zum betrieblichen Pflegelotsen wird in Thüringen gemeinsam mit der AOK PLUS durch die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung angeboten. Sie richtet sich an Mitarbeitende von Unternehmen, die zunehmend mit der Herausforderung der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege konfrontiert sind.
Pflegeleistungen steigen zum 1. Januar 2025
Zum Beginn des neuen Jahres werden bundesweit die Pflegeleistungen um 4,5 Prozent steigen. So erhöht sich beispielsweise im Pflegegrad 2 das Pflegegeld von 332 auf 347 Euro und die Sachleistung von 761 auf 796 Euro. Im Pflegegrad 5 steigt das Pflegegeld von 947 auf 990 Euro und die Sachleistung von 2200 auf 2299 Euro. Der Entlastungsbetrag steigt von 125 auf 131 Euro. Die für alle Pflegegrade gültige Pauschale für Pflegehilfsmittel erhöht sich von 40 auf 42 Euro. Das Budget für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen steigt von 4.000 auf 4.180 Euro.