50 Jahre nach erstem Knochenfund am Bromacker: Ein jahrzehntelanges Rätsel endlich gelöst – Knochen entpuppt sich als Beckenknochen eines Ursauriers
Heute gehört der 290 Millionen Jahre alte Bromacker im UNESCO-Geopark Thüringen zu den weltweit bedeutendsten Fossilfundstätten und wird derzeit durch ein innovatives, interdisziplinäres und multimediales Kooperationsprojekt erschlossen. Im Jahr 1974 stieß der junge Geologe, Thomas Martens, der gerade sein Studium an der Freiberger Bergakademie abgeschlossen hatte, bei Grabungen am Bromacker auf ein Fundstück, das seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte. Der zunächst unscheinbare Knochenfund entpuppte sich nun, Jahrzehnte später, als ein wertvolles Puzzlestück in der Urzeitforschung: es handelt sich um das bisher unbekannte Becken eines frühen Landwirbeltieres. In diesem Herbst jährt sich dieser erste fossile Knochenfund am Bromacker zum fünfzigsten Mal.
Eine außergewöhnliche Entdeckung mit wissenschaftlicher Bedeutung
Vor der Entdeckung des ersten Knochens waren von der Fundstätte Bromacker vor allem fossile Fährten von Ursauriern bekannt, aber keine Knochen. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die wissenschaftliche Lehrmeinung, dass in diesen Rotliegend-Gesteinen neben Spurenfossilien keine Knochen enthalten sein können. Martens erinnert sich: „Ich war mir von Anfang an sicher, dass es sich um einen Knochenrest handeln muss, was ich im Gestein freilegen konnte. Zum Jahreswechsel 1974/75 schrieb ich Prof. A.H. Müller in Freiberg von dem Fund. Er antwortete: ‚Vielen Dank für d. Mitteilung v. Knochenfund im ro v. Tambach. Falls dies stimmt, ist es sehr beachtlich. Glückwunsch!‘ Verständlich ist, dass mich diese Wertung meines Paläontologie-Professors zu weiteren Grabungen am Bromacker anregte – mit tollen Skelettfunden in den Folgejahren im Rahmen einer jahrzehntelangen, internationalen und interdisziplinären Forschungsarbeit.”
Durchbruch mit modernsten 3D-Technologien
Im Rahmen des aktuellen BROMACKER-Forschungsprojekts wurde der rätselhafte erste Knochenfund nun am Museum für Naturkunde Berlin mittels CT-Scan digital untersucht und rekonstruiert. Dabei konnte der fossile Knochen von der umliegenden Gesteinsmatrix digital und zerstörungsfrei getrennt und erstmals von allen Seiten detailliert betrachtet werden. „Der erste Knochenfund hat mich von Anfang an besonders fasziniert“, so Projektleiter Prof. Jörg Fröbisch, vom Museum für Naturkunde Berlin. „Mit Hilfe moderner und CT-basierter 3D-Methoden konnten wir den Knochen isolieren, von allen Seiten sichtbar machen und mit anderen Funden vergleichen. Da fiel es uns wie Schuppen von den Augen und uns war sofort klar, dass es sich dabei um das Becken eines Ursauriers handelt, höchstwahrscheinlich um das von Dimetrodon, einem entfernten Verwandten von uns Säugetieren.“
Dimetrodon teutonis – ein neues Detail des Ursauriers
Die einzige Art der Gattung Dimetrodon, die bislang am Bromacker entdeckt wurde, ist Dimetrodon teutonis, ein prähistorischer Verwandter der heutigen Säugetiere und bekannt für sein markantes Rückensegel. Bisher wurden nur ein isolierter Oberkiefer, Skelettteile eines Rückensegels und von Extremitäten dieser Art am Bromacker gefunden. Die Entdeckung des Beckengürtels ergänzt das bisherige anatomische Wissen über diese Art und ermöglicht beispielsweise Bewegungsanalysen zur Fortbewegung der Tiere.
Ein einzigartiger Fundort im UNESCO Global Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen
Neben dem Museum für Naturkunde Berlin sind am BROMACKER-Projekt die Friedenstein Stiftung Gotha, die Friedrich-Schiller-Universität Jena und der UNESCO Global Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen beteiligt. Sylvia Reyer-Rohde, Leiterin des Geopark-Managementbüros betont: „Wir sind glücklich, dass wir einen so einzigartigen Fundort hier im UNESCO-Geopark vorweisen können. Ohne das Engagement von Thomas Martens wäre diese besondere Fundstelle weder entdeckt noch erforscht worden und hätte nicht die internationale Bekanntheit erlangt, die sie heute genießt. Die Forschung am Bromacker muss weitergehen. Die Fossillagerstätte ist unendlich kostbar für die Wissenschaft sowie für den Erhalt des UNESCO-Prädikats des Geoparks und damit für die Region und für Thüringen.“
Blick in die Zukunft: Weitere Grabungen und neue Entdeckungen
Das BROMACKER-Projekt startete im Sommer 2020 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Wissenschaftskommunikation wird in dem Projekt großgeschrieben: Ziel der Kooperation ist es, anhand der Fossillagerstätte „Bromacker“ die Forschung und Wissensvermittlung so miteinander zu verknüpfen, dass der Öffentlichkeit ein Fenster in die frühe Evolution der Landwirbeltiere geöffnet wird. Der Förderzeitraum des BROMACKER-Projekts läuft noch bis Sommer 2025 und eine abschließende Grabung im Juni 2025 verspricht weitere Funde und Erkenntnisse.
Gleichzeitig laufen bereits Gespräche darüber, wie es nach Projektende weitergehen könnte. Die stetig steigende Fundmenge und die neuen Entdeckungen am Bromacker machen deutlich, dass die Biodiversität dieses prähistorischen Ökosystems noch längst nicht vollständig erforscht ist. Eine weitere Förderung und Institutionalisierung der Forschung in dieser Region sind essenziell, um diesen einzigartigen Ort als Wissensquelle über die Evolution früher Landwirbeltiere und als Publikumsmagnet für alle Generationen zu bewahren. Das Team arbeitet weiterhin daran, zusätzliche, spektakuläre Funde auszugraben, um die Geschichte des Bromackers und seiner prähistorischen Bewohner weiter erforschen und erzählen zu können