Gotha: „Ich bin einer der letzten Saltimbanques, das heißt der Gaukler der alten Art“, schmunzelt Gilbert Jakubczyk (72). Seit er vor sechs Jahren Jasmin aus der weltbekannten Hochseiltruppe „Geschwister Weisheit®“ geheiratet hat, ist Gotha seine neue Heimat geworden. Aber immer noch zieht es Gilbert hinaus auf historische Feste und Jahrmärkte in Deutschland und auch im Ausland. Ohne seine Auftritte als Zauberer, Feuerspucker und Impresario eines imaginären Flohzirkus kann er einfach nicht leben.
Nun wird die Lebensgeschichte von Gilbert in einem Buch erzählt. Als dreizehnjähriger Junge aus einem belgischen Erziehungsheim ausgerissen und mutterseelenallein in Paris gestrandet, hatte Gilbert in den 1960er Jahren Aufnahme in der Szene der Straßenartisten gefunden. Dort war er zum Sprecher all derer aufgestiegen, die vor dem neu errichteten „Centre Pompidou“ ihre Künste zeigten – unter dem Argwohn der Behörden: Immer wieder musste Gilbert die Interessen seiner „Kumpels“ bei der Obrigkeit durchsetzen. Auch er selbst wurde mehrmals von der Polizei verhaftet.
Mitte der 1990er Jahre hatte der Kulturwissenschaftler Dr. Michael H. Faber als Initiator des bekannten „Jahrmarktes anno dazumal“ im LVR-Freilichtmuseum Kommern (Rheinland) Gilbert erstmals engagiert. „Gilbert ist auf dem Museumsjahrmarkt zur Kultfigur geworden“, so Faber. In langen Interviews hat er die Lebenserinnerungen von Gilbert aufgezeichnet und mit ihm sein reichhaltiges Archiv an Fotos und Dokumenten ausgewertet. Entstanden ist eine reich bebilderte Mischung aus bewegender Biografie und bewegter Autobiografie. Seiner schweren Kindheit und seinen ersten Versuchen mit der Straßenartistik, seinen Erfolgen als „Automatenmensch“ in Paris und schließlich auch international sind die ersten Kapitel gewidmet. Geschildert wird aber auch die artistische Vielseitigkeit, mit der Gilbert seit dreißig Jahren in seinem Jahrmarkt-Varietéprogramm fasziniert. Das Buch erzählt auch von Gilberts Weggefährtinnen und -gefährten, von seinen „Kumpels“, wie er die Artistenkollegen nennt. Von ihnen kommen einige mit ihren Einschätzungen über Gilbert zu Wort.
Gilberts „O-Töne“ in diesem Buch lassen seine Lebenserfahrung und die daraus gewonnene Lebenseinstellung spüren. Sie ist davon geprägt, alles mit Humor zu nehmen. So bleibt denn auch sein Fazit: „Ich bin so froh, froh zu sein.“
Michael H. Faber: Gilbert: Mein Lied von der Straße. Das Leben eines Gauklers. Selbstverlag des Autors, Bonn 2024, 86 Seiten, 113 Abbildungen, ISBN 978-3-00-078280-0. Preis 24,80 Euro (D) zzgl. Versandkosten. Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Autor: dr.m.faber@t-online.de.