Würde und Abschied sind die zwei Worte, die mir in den letzten Tagen immer wieder begegnet sind. „Die Würde des Menschen ist unfassbar“ lautet ein geflügeltes Wort und Prof. Gerald Hüther hat es uns in einem beeindruckenden Vortrag nahe gebracht, was es heißt, in Würde mit sich und anderen zu leben. In Würde zu leben heißt, dem Strudel der Zeit, dem Druck des Alltäglichen, aber auch der Macht der Anderen zu entkommen. Wie schwer das ist, weiß jeder Einzelne von uns. Was haben die Menschen vor 100 Jahren für eine Würde besessen, als sie aufgestanden sind, um Abschied zu nehmen vom Alten. Die gute alte Zeit, mit der doch Kindheit und Jugend verbunden sind, wo alles so schön war. Es waren die Arbeitenden dieser Stadt, die im November 1918 ihre Fabriken, die Kasernen, die dunklen Handwerkerstuben verließen, um Abschied zu nehmen und einen Aufbruch zu wagen. Ich bin überzeugt, dass der Beitrag dieser Menschen zu Demokratie und Selbstbestimmung bis heute nicht die Wertschätzung und die Würde erfährt, die ihm zusteht. Vom Alten sich zu trennen und bisher Unerprobtes zu wagen, vereint Mut und Würde. Wie der Mut der Kleinen, die Welt von Morgen verändert, sieht man daran, dass am 14. November 1918 in Gotha das erste Gesetz unterzeichnet worden ist zur Regelung des Acht-Stunden-Arbeitstages in Deutschland. Erst später kamen die Tarifparteien und andere Gesetzgeber zu der Überzeugung, dass die Lösung von Gotha für die Würde der Arbeitenden ein weltumspannender Erfolg ist. Im November vor einhundert Jahren kam die Republik, es sind bis heute einhundert deutsche Jahre, gebrochen von zwei Diktaturen. Die Würde des Menschen ist seine Triebfeder, sie hat im November 1989 die geteilte Nation geeint und nur sie besitzt den Mut zu erkennen, wie schön das Leben in Gotha im Jahr 2018 ist. Für einen würdevollen Umgang miteinander wirbt
Ihr
Knut Kreuch