Krankmeldung gegen Bezahlung? Digitale AU-Dienste zwischen Komfort und gefährlichem Risiko
Die Welt wird schneller, digitaler und bequemer. Viele Dinge, für die man früher Zeit, Wege und Geduld brauchte, erledigt man heute mit wenigen Klicks. Bankgeschäfte, Einkäufe, Verträge – alles online. Und inzwischen gibt es auch Anbieter, die damit werben, Krankschreibungen gegen Bezahlung digital auszustellen, ohne dass man eine Arztpraxis betreten muss.
Für viele Arbeitnehmer klingt das erst einmal verlockend:
Kein überfülltes Wartezimmer, keine langen Telefon-Hotlines, keine Suche nach kurzfristigen Terminen. Stattdessen ein Formular online ausfüllen, bezahlen – und kurz darauf eine digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten.
Doch hinter dieser bequemen Lösung steckt weit mehr, als es zunächst scheint. Denn wer solche Dienste nutzt, betritt einen Bereich, der rechtlich sensibel ist und Arbeitsverhältnisse belasten oder sogar gefährden kann.
Warum solche Angebote überhaupt entstehen
Wer einmal versucht hat, kurzfristig einen Arzttermin zu bekommen, weiß: Das ist oft schwieriger, als krank zu sein. Viele Praxen sind überlastet, Telefonleitungen überfüllt, Termine frühestens in mehreren Tagen verfügbar.
Gerade bei Beschwerden wie:
- Erkältungen
- Migräne
- Stresssymptomen
- Magen-Darm-Erkrankungen
fragen sich viele:
„Warum muss ich eigentlich erst einen Arzt suchen? Ich weiß doch selbst, dass ich für zwei Tage arbeitsunfähig bin.“
Dazu kommt der gesellschaftliche Druck: Viele Arbeitnehmer fühlen sich schlecht, wenn sie ihrem Arbeitgeber sagen müssen, dass sie krank sind. Manche fürchten Konflikte oder Rechtfertigungen. Digitale AU-Dienste bieten da eine scheinbar einfache Alternative.
So funktionieren digitale Krankmeldungs-Dienste
Der Ablauf ist meistens ähnlich:
- Symptome online angeben
- Daten hochladen
- Zahlung leisten
- Attest oder AU-Bescheinigung per E-Mail oder Download erhalten
Oft dauert das Ganze nur Minuten. Doch der entscheidende Punkt ist: Man bezahlt zuerst – und erhält danach die Krankmeldung.
Das allein macht viele Arbeitgeber hellhörig.
Wenn medizinische Dokumente zu einer kostenpflichtigen Dienstleistung werden
Der zentrale Unterschied zur klassischen ärztlichen Krankschreibung ist nicht nur der digitale Ablauf – sondern der wirtschaftliche Mechanismus dahinter.
Im normalen Gesundheitssystem gilt:
- Ein Arzt untersucht.
- Er entscheidet medizinisch.
- Die Krankenkasse oder der Versicherte trägt die Leistung nach festgelegten Regeln.
Bei kostenpflichtigen Online-AU-Diensten hingegen:
- Fließt Geld vor einer Einschätzung.
- Profit entsteht durch jeden ausgestellten Schein.
- Der Dienstleister ist abhängig davon, dass der Kunde eine Bescheinigung erhält – nicht davon, ob er wirklich arbeitsunfähig ist.
Und genau dieser Zusammenhang macht die Seriosität angreifbar.
Rechtliche Risiken – die oft erst dann bewusst werden, wenn es zu spät ist
Viele Nutzer gehen davon aus, dass eine digital ausgestellte AU automatisch gültig sei. Doch das stimmt nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Problematisch wird es, wenn:
- keine echte medizinische Diagnose stattfindet
- nur Selbstauskünfte genutzt werden
- die Krankmeldung automatisch nach Zahlung erfolgt
- keine qualifizierte ärztliche Identität nachvollziehbar ist
Dann kann die Bescheinigung rechtlich wertlos sein – oder sogar als Versuch der Täuschung gewertet werden.
Mögliche strafrechtliche Folgen:
- Betrug
- Urkundenfälschung
- Täuschung im Rechtsverkehr
Das gilt vor allem dann, wenn Lohnfortzahlung im Spiel ist.
Arbeitsrechtliche Folgen – oft gravierender als die strafrechtlichen
Arbeitgeber dürfen eine AU anzweifeln, wenn der Verdacht besteht, dass sie gekauft wurde, statt medizinisch begründet zu sein. In solchen Fällen können folgende Konsequenzen drohen:
| Möglichkeit | Bedeutung |
|---|---|
| Lohnstopp | Arbeitgeber zahlt nicht mehr. |
| Abmahnung | Bei Verdacht auf Missbrauch. |
| Rezertifizierung durch Amtsarzt | Pflichtuntersuchung durch neutralen Arzt. |
| Kündigung | Bei bestätigter Täuschung sogar fristlos. |
Wichtig: Die Beweislast kann sich umkehren.
Dann muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er wirklich krank war – nicht der Arbeitgeber das Gegenteil.
Was oft vergessen wird: Das eigene Rufrisiko
Selbst wenn keine Strafe folgt – der Schaden kann immateriell sein:
- Vertrauensverlust
- veränderte Behandlung im Team
- erschwerte Beförderungen
- schlechtere Referenzen
Einmal unter Verdacht – immer unter Beobachtung.
Wann digitale Lösungen sinnvoll sein können
Nicht alle digitalen Angebote sind unseriös. Es gibt Modelle, bei denen:
- echte Telemedizin betrieben wird
- Diagnosen über Video-Sprechstunden erfolgen
- Ärzte persönlich haften
- Krankenkassen eingebunden sind
Solche Lösungen können eine Zukunft haben und den Alltag entlasten – wenn sie medizinisch verantwortlich geführt werden.
Fazit: Digitalisierung ja – aber nicht um jeden Preis
Digitale Krankmeldungen wirken modern, schnell und unkompliziert. Doch sobald eine Krankschreibung käuflich erscheint, verliert sie ihren rechtlichen Schutz und ihre Glaubwürdigkeit.
Wer krank ist, soll sich ausruhen und Unterstützung bekommen – aber auf einem Weg, der rechtssicher, medizinisch sinnvoll und verantwortungsvoll bleibt.
Denn am Ende gilt:
Eine Krankmeldung darf kein Produkt sein – sondern muss eine medizinische Entscheidung bleiben.


